Geschichte und Wappen des
Landkreises Leer
Der
Landkreis Leer, zu dem auch die Nordseeinsel Borkum gehört, liegt im südlichen
Teil Ostfrieslands. Er stößt im Westen an das Königreich der Niederlande und
den Dollart - eine im späten Mittelalter durch Sturmfluten entstandene
Meeresbucht - im Norden wird er vom Auricher-, im Osten vom Oldenburger- und
im Süden vom Emsland begrenzt. Das Kreisgebiet umfasst eine Fläche von 1.100
Quadratkilometern. Rund 161.000 Einwohner leben in
drei Städten, sieben Einheits- und zwei Samtgemeinden.
Die Hafenstadt Leer mit rund 34.000 Einwohnern ist das Verwaltungszentrum des
Landkreises.
Schon in prähistorischer Zeit war das Gebiet von Menschen bewohnt. Die
ältesten Siedlungen sind auf Geestrücken um Leer, Loga, Holtland, Brinkum und
Hesel nachgewiesen. Bis etwa in das Jahr 4 000 v. Chr., dem Beginn der
jüngeren Steinzeit, reicht das Alter von Ausgrabungsstücken, die in den Museen
Leer und Weener ausgestellt sind. Grabungen bei Jemgum ergaben, dass die
Marsch seit der jüngeren Bronzezeit besiedelt wurde. Künstliche Erdhügelwarfen
- oder Wurten genannt - dienten als Schutz vor Überflutungen. Die älteren
schriftlichen Quellen über dieses Gebiet verdanken wir den Römern Plinius und
Tacitus, die um die Zeitenwende anschauliche Berichte verfassten. Weitere
schriftliche Quellen sind dann erst wieder aus dem frühen Mittelalter bekannt.
Die Friesen beherrschten damals das Küstenland von Brügge bis zur Weser.
Kaiser Karl der Große vereinigte Friesland mit seinem Reich. Er ließ jedoch
das alte friesische Standesrecht bestehen, das uns in der "Lex Frisionum"
erhalten ist.
Die Geschichte des hohen und späten Mittelalters ist geprägt von freien
Bauerngemeinden und "Häuptlingsherrschaften". Es war die Vorstufe zur
Entstehung der Grafschaft Ostfriesland im Jahr 1464. Bis 1744 regierte die
Familie Cirksena. Nach ihrem Aussterben fiel das Land an das Königreich
Preußen. Während der napoleonischen Ära gehörte es seit 1806 zum Königreich
Holland und wurde im Jahre 1810 dem Territorium des französischen Kaiserreichs
unmittelbar angegliedert. Nach einer erneuten aber kurzfristigen Zugehörigkeit
zu Preußen gelangte Ostfriesland aufgrund der Verhandlungen des Wiener
Kongresses 1815 an das Königreich Hannover. Schließlich folgte von 1866 bis
1945 die dritte und letzte Periode preußischer Herrschaft.
Der Landkreis Leer entstand 1867 aus vier so genannten Ämtern, überstand
sowohl die preußische Gebietsreform aus dem Jahre 1932 - damals sind die
Landkreise Leer und Weener zusammengefasst worden - als auch die große
Landkreisreform von 1979 jeweils unter Hinzugewinnung weiterer Bevölkerungs-
und Flächenanteile.
Das Wappen des Landkreises zeigt kein Emblem eines fremden Herrn, sondern den
Löwen der Häuptlingsfamilie Ukena. Im 15. Jahrhundert hatte Focko Ukena die
Herrschaft über das Moormer-, Oberledinger-, Lengener- und Rheiderland
erworben - in etwa das Gebiet des heutigen Kreises. Die Bedeutung des Löwen
mit der gestürzten Krone ist heute unbekannt. Auf dem Wappenschild befindet
sich eine Ährenkrone. Das vierblättrige Kleeblatt soll auf die vier alten
Landschaften des Kreises hinweisen, die Ähren auf die landwirtschaftliche
Struktur. Das Kreiswappen wurde am 12. August 1952 durch das niedersächsische
Innenministerium verliehen und mit der 1. Hauptsatzung des Kreises am 22.
Oktober 1958 (erneut) gebilligt.
Kultur und Geschichte der Region sind nicht geprägt durch Feudalherrschaft und
Bürgertum oder Leibeigenschaft. Im Landkreis Leer lebten ehemals freie
Landleute, reiche Bauern und arme Siedler. Gerade deshalb zog es viele
Glaubensvertriebene nach Friesland: Im 16. Jahrhundert kamen die Kalvinisten
aus den Niederlanden, die von den Truppen des Herzogs Alba vertrieben wurden,
als er im Auftrage Philipps II. die Niederlande rekatholisieren sollte. Im 17.
Jahrhundert immigrierten Mennoniten, im 18. Jahrhundert Pfälzer. Betont
freiheitsliebend trieben sie Handel und fuhren zur See. Vergeblich sucht man
deshalb auch großartige Profanbauten. Aber es gibt andere, nicht minder
eindrucksvolle Zeugen einer bemerkenswerten Vergangenheit: Romanische und
gotische Backsteinkirchen mit abseits stehenden Glockenstühlen, Steinhäuser -
ehemals Sitze der einflussreichen Häuptlinge - und mächtige Bauernhöfe. Diese
so genannte "Plaatsen" liegen in den Poldern, jenen fruchtbaren
Ackerbaugebieten, die dem Dollart im Jahrhunderte währenden Kampf durch
Eindeichungen abgerungen wurden.
Es gibt ausgedehnte Hochmoorgebiete mit seltener Flora und Fauna und
Fehndörfer, deren Häuser wie an einer Schnur gereiht entlang von Menschenhand
geschaffener Kanäle liegen. Diese Dörfer sind Zeugen einer seit dem 17.
Jahrhundert betriebenen Moorkolonisation.
Für den Freund friesischer Lebensart und Landschaften gibt es im Landkreis
Leer viel zu sehen und zu besichtigen. Orte mit Muhdehäfen, Sielen, Schleusen
und Klappbrücken laden zum Verweilen ein. Alte Windmühlen, das "Fehn- und
Schiffahrtsmuseum" in Westrhauderfehn, Sakralbauten mit wertvollen Orgeln und
vieles mehr zeigen ein interessantes und glanzvolles Spektrum niederdeutscher
Kultur.
Wiedererstanden in alter Schönheit sind drei historische Bauten, die vom
Landkreis Leer erworben und mit großer Sorgfalt restauriert worden sind. Im
Stil niederländischer Spätrenaissance präsentiert sich die stattliche Haneburg.

Sie ist der Sitz der Volkshochschule und genießt aufgrund der dort
stattfindenden Kunstausstellungen einen guten Ruf. Des weiteren das Gut Stikelkamp, das aus
Privatbesitz erworben und mit beträchtlichem Aufwand restauriert wurde. Es
liegt inmitten einem der wenigen Waldgebiete der Region und ist mit seinem
Gesamtambiente Ausdruck typisch ostfriesischer Kultur und Lebensart. Das über
Jahrhunderte gesammelte Inventar gibt reizvolle Einblicke in eine beschauliche
Vergangenheit. Ein altes Wasserschloss ist die aus dem Jahr 1642 stammende Evenburg. Ehemals im
klassizistischen Stil mit niederländischer Prägung errichtet, wurde sie später
im neugotischen Stil umgebaut. Mit ihrer Nähe zum Leda-Fluss wurde für die
Evenburg ein besonders reizvoller Standort gewählt.
Bedingt durch die geografische Lage kommt dem Deich- und Wasserbau
existenzielle Bedeutung zu. Am Dollart und an der Ems schützen hohe Deiche das
Binnenland vor Sturmfluten. Schon um das Jahr 1000 wurden die ersten Bauwerke
dieser Art in gemeinsamer Anstrengung der Bevölkerung errichtet. Seitdem sind
kaum vorstellbare Mühen und Finanzmittel aufgewendet worden. Mit dem Einbau
von großen, selbständig arbeitenden Toren in die Deiche - den Sielen - und
auch Schöpfwerken ist die notwendige Entwässerung des teilweise unterhalb des
Meeresspiegels gelegenen Landes möglich.
Die Insel Borkum, seit 1850 Seebad, ist vielen Erholungssuchenden durch ihre
Schönheit, ihr Hochseeklima und ihre weiten kilometerlangen Strände bereits zu
einem Qualitätsbegriff geworden. Auf der Insel befinden sich vielfältige Kur-
und Fremdenverkehrseinrichtungen, Kliniken und Sanatorien, die Borkum heute zu
einem bedeutenden Seeheilbad machen.
Neben der Landwirtschaft bestimmten über Jahrhunderte der Handel und die
Seefahrt die ökonomischen Verhältnisse im Lande. Aufgrund der äußerst
günstigen Verkehrslage wuchs Leer im 18. Jahrhundert zu einem wichtigen
Handels- und Umschlagszentrum der Region heran. Die Verbindungen zu Wasser und
zu Lande in den Richtungen von Nord nach Süd und von Ost nach West verhalfen
dem Ort zu seiner wirtschaftlichen Bedeutung.
Der Landkreis Leer verfügt heute über ein gut ausgebautes Netz von Bundes- und
Landesstraßen. Der Anschluss an das Autobahnnetz besteht über die A 28 in
Richtung Oldenburg-Bremen. Im Zuge des Autobahnbaus entstand zwischen Leer und
dem westlich der Ems gelegenen Rheiderland der Emstunnel. Die Anbindung an das
Ruhrgebiet erfolgt durch die A 31, die über Leer bis nach Emden führt, die zu
den Niederlanden durch die A 280. Für die verkehrliche Entwicklung ist von
besonderer Bedeutung, dass die Kreisstadt Leer Eisenbahnknotenpunkt für die
Nord-Süd- und Ost-West-Verkehre ist.